Fediverse – Social Media in Dezentral
Die Diskussion um Alternativen zu Facebook, X (ehem. Twitter) und Instagram wird spätestens seit dem radikalen Politikwechsel der Social Media Konzerne nach der Wiederwahl von Donald Trump immer lauter. Das sogenannte Fediverse verspricht dabei eine grundlegend andere Art sozialer Netzwerke. Doch kann das dezentrale System wirklich eine sinnvolle Alternative zu den etablierten Plattformen bieten?
Das Fediverse besteht aus spezialisierten Plattformen, die jeweils unterschiedliche Funktionen anbieten. Mastodon ist die bekannteste und funktioniert ähnlich wie X/Twitter – Nutzer können Kurznachrichten posten, anderen folgen und Beiträge teilen. PeerTube ist das Video-Pendant zu YouTube, nutzt aber Peer-to-Peer-Technologie, um die Server zu entlasten. Pixelfed funktioniert wie Instagram für das Teilen von Fotos. Lemmy bietet Reddit-ähnliche Diskussionsforen. Diaspora war einer der Pioniere als Facebook-Alternative und existiert bereits seit 2010. Eine Besonderheit an all diesen Plattformen ist: die Grenzen zwischen ihnen verschwimmen – ein Mastodon-Nutzer kann beispielsweise PeerTube-Videos kommentieren oder Pixelfed-Fotos liken, ohne separate Accounts zu benötigen.
Technisch gesehen ist das Fediverse ein Netzwerk aus vielen unabhängigen Social-Media-Servern, die über offene Standards wie ActivityPub miteinander verbunden sind. Statt einem großen Konzern gehören diese Server verschiedenen Betreibern – von Vereinen über Privatpersonen bis hin zu kleinen Unternehmen. Mit derzeit 2,2 Millionen aktiven Nutzern das Fediverse allerdings noch sehr klein im Vergleich zu den Plattformen der Tech-Giganten.
Der große Vorteil des Fediverse ist: Nutzer haben bessere Kontrolle darüber, wem sie ihre Daten anvertrauen, da diese auf selbstgewählten Servern gespeichert werden statt auf der Infrastruktur großer Tech-Konzerne. Werbung gibt es auf den Plattformen zudem praktisch keine, da die meisten Server durch Spenden finanziert werden. Die Moderation erfolgt lokal – jeder Server kann eigene Regeln aufstellen und problematische Server blockieren. Algorithmen, die auf hohe Interaktionsraten oder bestimmte Themen reagieren und somit die Sichtbarkeit oder Reichweite von Beiträgen erhöhen oder verringern, gibt es auf der Plattform nicht. Besonders nach der Twitter-Übernahme 2022 suchten Millionen Nutzer genau solche Alternativen und ließen Mastodon stark wachsen.

Netzwerkeffekt und Komplexität bremsen die Verbreitung des Fediverse
Allerdings birgt die dezentrale Struktur auch Nachteile. Neue Nutzer stehen vor der Herausforderung, einen passenden Server zu wählen – eine Entscheidung, die bei herkömmlichen Plattformen nicht nötig ist. Die Bedienung wirkt anfangs komplizierter, und das eigene soziale Umfeld zu finden ist schwieriger als bei zentralisierten Diensten. Viele Server kämpfen mit der Finanzierung, da sie auf Spenden angewiesen sind. Gleichzeitig müssen ehrenamtliche Betreiber mit rechtlichen Anforderungen wie der DSGVO umgehen. Hinzu kommt, dass durch die hohe Nutzerzahl auf kommerziellen Plattformen durch den Netzwerkeffekt (vereinfacht: je mehr Menschen die ich kenne ein Social-Media-Angebot nutzen, desto wertvoller ist es für mich) dafür sorgt, dass die Menschen auf diesen Plattformen bleiben.
Der Konzern Meta (Facebook, Instagram) plant, seinen Dienst “Threads” ins Fediverse zu integrieren. Das könnte dem dezentralen Netzwerk starken Aufschwung geben, birgt aber auch das Risiko, dass ein Großkonzern viel Einfluss auf das noch junge Netzwerk gewinnt.
In jedem Fall zeigt das Fediverse, dass soziale Netzwerke auch ohne Datensammlung und Werbe-Algorithmen funktionieren können. Für Menschen, die Wert auf Datenschutz und ausgewogene Diskussionsräume legen, bietet es eine echte Alternative. Auch wenn es aktuell noch nicht die Reichweite der Mainstream-Plattformen erreicht, entwickelt es sich stetig weiter. Das dezentrale Netzwerk könnte der Grundstein für eine demokratischere Zukunft sozialer Medien sein.
Quellen: heise.de, Medium.com, wired.com, w3.org