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Zwischen wildem Westen und Polizeistaat – Identifizierungspflicht im Internet

Das Internet, unendliche Weiten. So könnte man es in Anlehnung an das Star Trek Intro wohl bezeichnen. Doch hier kämpft keine Föderation gegen die Klingonen, hier geben sich Kriminelle, Bots und normale Nutzer die Klinke in die Hand. Ein Umstand, der sich aus Sicht der Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern ändern soll – sie wollen den beiden erstgenannten Gruppen das Leben erschweren.

Mit einem Änderungsantrag zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz wollen die beiden Bundesländer eine “Erleichterung der Identifizierbarkeit im Internet für eine effektivere Bekämpfung und Verfolgung von Hasskriminalität” erreichen.

Link zum Antrag: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0001-0100/70-20.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Die Idee hinter dem Antrag ist relativ einfach: jeder Nutzer soll sich bei der Anmeldung mit Namen, Geburtsdatum und Wohnort, entweder durch ein Ausweisdokument oder durch elektronische Verfahren, identifizieren. Der Entwurf sieht keine Klarnamenpflicht in sozialen Medien vor, wohl aber die Möglichkeit für den Staat, einen Nutzer eindeutig zu identifizieren. So könnte auf etwaige Gesetzesverstöße deutlich schneller und souveräner reagiert werden, als dies derzeit möglich ist.

Leider ist dieser Vorstoß nicht wirklich zu Ende gedacht. Hierbei will ich gar nicht die Frage nach der Zuverlässigkeit und Fälschungssicherheit der Verfahren stellen, das Hauptproblem ist viel simpler: die Regelung beträfe nur Nutzer, die sich aus Deutschland registrieren. Für Registrierungen aus jedem anderen Land wäre das Verfahren nicht verpflichtend und soziale Medien werden es kaum freiwillig global einsetzen. Möchte ein Nutzer nun also einen Account unter falschem Namen anlegen, verbindet sich dieser mittels VPN Tunnel mit einem beliebigen Server außerhalb Deutschlands. Dadurch erhält der Nutzer gegenüber der Website (z.B. Facebook) eine IP-Adresse aus einem anderen Land (z.B. den USA) und schon ist eine Registrierung unter falschem Namen ohne Hürden möglich.

Im Übrigen funktioniert der Vorstoß Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns lediglich in sozialen Medien. Von einer Identifizierungspflicht für das gesamte Internet kann also nicht ernsthaft die Rede sein. Und gerade die organisierte Kriminalität dürfte sich wenig für eine Identifizierungspflicht interessieren – schon gar nicht im Darknet oder Deepweb.

Die vorgeschlagene Methode eignet sich also höchstens zur Bekämpfung ahnungsloser Wutbürger und jugendlicher Halbstarker – immerhin. Nun aber zur Kernfrage: wäre es überhaupt gut, wenn der Staat jeden Account eindeutig einem Bürger zuweisen könnte? Mit Blick auf totalitäre Regierungen wie China ist ein gewisses Risiko mit diesen Möglichkeiten verbunden. Würden beispielsweise eine rechtspopulistische Parteien oder andere demokratiefeindliche Kräfte an Einfluss in Deutschland gewinnen, wäre die Sorge sicherlich berechtigt, dass dies ein für antidemokratische Bestrebungen willkommenes Kontrollinstrument sein dürfte.

Auf der anderen Seite müssen aber auch die Menschen eingebremst werden, die das Internet für eine Neuauflage des wilden Westens halten. Wer im Internet surft, befindet sich eben nicht im rechtsfreien Raum und nicht jede Einschränkung der Freiheiten, die man durch absolute Anonymität im Internet genießt ist, direkt ein Angriff auf die Meinungsfreiheit oder gar die demokratische Grundordnung.

Tatsächlich gewährt unser Grundgesetz uns unter anderem das Recht unsere Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Ein Anspruch auf Anonymität ist hier allerdings nicht zu finden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Artikel 5, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Simon Crins

Simon Crins ist Medienexperte mit den Fachbereichen Medienproduktion und Medientechnik. Nach seiner Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton bei ProSiebenSat.1 in München absolvierte Crins sein Bachelorstudium im Fach Medien und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule. Währenddessen war er für die ProSiebenSat.1 Gruppe unter anderem als Produktionsplaner und Projektleiter tätig. Seit Ende 2018 arbeitet Simon Crins für Umlaut SE im Raum Braunschweig/Wolfsburg als Projektleiter im Bereich Infotainmententwicklung. Weitere Informationen über den Autor finden Sie unter www.simoncrins.de

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