Wer ist systemrelevant?

Seit Ausbruch der Corona-Krise ist das Wort “Systemrelevant” in aller Munde. Es beschreibt all das, was benötigt wird, um die öffentliche Ordnung und die Versorgung der Menschen aufrechtzuerhalten. Aus Eitelkeit oder Stolz werden Sätze wie “Ich bin ja systemrelevant, …” gebildet, doch hier liegt ein Missverständnis vor: Systemrelevant ist nämlich jeder Bürger.

Sprache schafft Realität, was wir oft sagen und hören beeinflusst die Art wie wir denken und unser Weltbild. Deshalb ist es wichtig, im Umgang mit Sprache auf gewissen Feinheiten zu achten, so auch bei dem Wort “Systemrelevant”:

Der Wortbestandteil System ist recht schnell erklärt, er steht laut Duden z.B. für eine “Form der staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Organisation“. Unser System wäre in diesem Fall also die parlamentarische Demokratie inklusive der Gewaltenteilung (staatlich) und ggf. auch der sozialen Marktwirtschaft (wirtschaftlich) sowie die öffentliche Ordnung (gesellschaftlich).

Relevant bedeutet laut Duden “in einem bestimmten Zusammenhang bedeutsam, [ge]wichtig”. Setzen wir nun beides zusammen, bedeutet Systemrelevant nichts anderes als wichtig für die demokratische Grundordnung in der zuvor beschriebenen Ausgestaltung.

In einer Krise wie dieser dürften den meisten Menschen hier zunächst Ärzte, Pflegekräfte, Polizisten und dergleichen einfallen. Im Verlauf der Corona Pandemie wurden beispielsweise auch Verkäufer, Lieferanten und Betriebe in denen Nahrungsmittel produziert werden mit dem Adjektiv “systemrelevant” geadelt. Das ist einerseits schön, da hierdurch Berufe positiv hervorgehoben werden, deren gesellschaftlicher Wert lange nicht erkannt wurde. Auf der anderen Seite ist es aber schlichtweg falsch, denn verantwortlich für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft ist jeder einzelne Bürger. Daher ist es schlichtweg falsch zu sagen der eine sei systemrelevant und ein anderer sei es nicht.

Man muss also differenzieren zwischen systemrelevanten Berufen und systemrelevanten Menschen:

Es gibt einige Berufe, die aktuell wichtiger sind als andere Berufe – keine Frage. Und wir dürfen froh sein, dass es Menschen gibt, die diese Berufe ausüben und dafür sorgen, dass wir selbst in schwierigen Zeiten medizinische Versorgung, Energie, Lebensmittel und Sicherheit haben. Berufe, die genau diese Art von Versorgung sicherstellen werden zurecht als systemrelevant bezeichnet.

Doch was die Menschen angeht, ist in einer Demokratie per Definition jeder einzelne Bürger systemrelevant.

In unserer Demokratie im Speziellen ist jeder Mensch – egal ob Bürger oder nicht – systemrelevant. Denn die Selbstverpflichtung unseres Staates gemäß Grundgesetz ist:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 1 Absatz 1.

Es ist also jeder Mensch systemrelevant. Jeder ist wichtig – das sollten wir auch in Krisenzeiten nicht vergessen.

Simon Crins

Simon Crins ist Medienexperte mit den Fachbereichen Medienproduktion und Medientechnik. Nach seiner Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton bei ProSiebenSat.1 in München absolvierte Crins sein Bachelorstudium im Fach Medien und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule. Währenddessen war er für die ProSiebenSat.1 Gruppe unter anderem als Produktionsplaner und Projektleiter tätig. Seit Ende 2018 arbeitet Simon Crins für Umlaut SE im Raum Braunschweig/Wolfsburg als Projektleiter im Bereich Infotainmententwicklung. Weitere Informationen über den Autor finden Sie unter www.simoncrins.de

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